Die Diagnostik von ADHS ist sehr aufwändig. Wir wollen Sie über die dazu notwendigen Untersuchungen informieren, indem wir folgenden Fragen nachgehen:
Zur diagnostischen Feststellung einer ADHS muss der Untersucher folgenden Aspekten nachgehen:
Im ersten diagnostischen Schritt überprüft der Untersucher, ob die Symptome von Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit vorliegen. Dazu haben die beiden in Deutschland angewendeten Klassifikationssysteme (ICD-10 und DSM 5) weitgehend übereinstimmende Kriterien für Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität festgelegt. Für eine Diagnose muss eine bestimmte Anzahl dieser Kriterien erfüllt sein. Anhand der Art der erfüllten Kriterien können auch die Unterformen von ADHS bestimmt werden.
Diese Kriterien werden vom Untersucher im Gespräch mit den Eltern und dem Kind oder Jugendlichen gezielt erfragt oder auch anhand von Fragebögen erhoben. Der Untersucher muss dabei überprüfen, ob die jeweiligen Probleme deutlich stärker ausgeprägt sind, als das üblicherweise bei Kindern und Jugendlichen gleichen Alters der Fall ist.
A) Kriterien für Unaufmerksamkeit
B) Kriterien für Hyperaktivität
C) Kriterien für Impulsivität
{ } nur DSM 5, ( ) nur ICD-10
Wenn Symptome einer ADHS vorliegen, muss der Untersucher überprüfen, ob diese Symptome durch eine andere Diagnose besser erklärt werden können. Das ist die Frage nach der so genannten Differentialdiagnose.
Symptome einer ADHS können nämlich auch Hinweise auf eine andere Störung sein. Die häufigsten Fragen dabei sind:
Wenn die Diagnose einer ADHS gesichert ist, stellt sich die zusätzliche Frage, ob weitere behandlungsbedürftige Probleme oder Störungen bei dem Kind oder dem Jugendlichen vorliegen. Das ist die Frage nach komorbiden Störungen.
Die Mehrzahl der Kinder und auch der Jugendlichen oder Erwachsenen mit ADHS hat weitere psychische Störungen. Im Gespräch mit den Eltern und dem Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen sowie anhand von Fragebögen kann der Untersucher dies überprüfen.
Für die bei ADHS notwendigen diagnostischen Untersuchungen haben Fachverbände Leitlinien entwickelt, an denen sich die Untersucher orientieren sollten. Üblicherweise dauert eine solche diagnostische Abklärung mehrere Sitzungen und kann folgende Bestandteile enthalten:
Das Untersuchungsgespräch (Exploration) bildet den Kern der gesamten Untersuchung und kann über mehrere Sitzungen hinweg durchgeführt werden. Üblicherweise werden sowohl die Eltern als auch das Kind / der Jugendliche in das Untersuchungsgespräch einbezogen.
Das Gespräch bezieht sich sowohl auf die aktuelle ADHS-Symptomatik sowie andere Auffälligkeiten oder Probleme des Kindes oder Jugendlichen, wie sie in der Familie, im Kindergarten / in der Schule und im Freizeitbereich auftreten. Dabei werden die Kriterien für die Diagnose einer ADHS abgeklärt und der Untersucher überprüft, ob andere Störungen oder Erkrankungen als eine Erklärung für die geschilderten Symptome in Frage kommen könnten (Differenzialdiagnose).
Außerdem erfragt der Untersucher im Gespräch die Entwicklungsgeschichte des Kindes oder Jugendlichen von Geburt an und macht sich so ein Bild über die familiären Bedingungen, unter denen das Kind lebt sowie über die Situation im Kindergarten oder in der Schule.
Da bei ADHS in der Regel Probleme im Kindergarten bzw. in der Schule auftreten, ist - mit Einverständnis der Eltern - ein Gespräch mit Erziehern oder Lehrern ebenfalls sehr sinnvoll, in dem die konkreten Verhaltensprobleme erfragt werden können.
Nach dem Untersuchungsgespräch kann der Untersucher weitere notwendige diagnostische Untersuchungen festlegen.
Fragebögen für Eltern, Erzieher, Lehrer und auch ältere Kinder und Jugendliche selbst werden häufig in der Untersuchung von ADHS eingesetzt und können ergänzend zum Untersuchungsgespräch wichtige Informationen liefern.
Meist werden in diesen Fragebögen ADHS-Symptome und andere Verhaltensauffälligkeiten erfragt, aber auch die Stärken des Kindes oder Jugendlichen können per Fragebogen erhoben werden.
Solche Fragebögen kann der Untersucher nutzen, um im Untersuchungsgespräch anhand einzelner Antworten gezielte Nachfragen zu stellen. Außerdem gibt es für die meisten Fragebögen so genannte Normen, anhand derer der Untersucher die Antworten in dem konkreten Fragebogen vergleichen kann mit den Antworten, die typischerweise gegeben werden.
Wenn beispielsweise eine Mutter das Verhalten ihres elfjährigen Sohnes anhand eines Fragebogens eingeschätzt hat, dann werden diese Antworten verglichen, mit jenen anderer Mütter über ihre etwa elfjährigen Söhne. Der Untersucher stellt damit fest, ob die Verhaltensbeurteilung vergleichbar ist mit den durchschnittlichen Beurteilungen oder über bzw. unter den üblichen Urteilen liegt.
Die Verhaltensbeobachtung des Kindes oder Jugendlichen in der Untersuchungssituation hilft dem Untersucher, sich einen eigenen unmittelbaren Eindruck vom Kind oder Jugendlichen zu verschaffen.
Dabei achtet der Untersucher darauf, ob das Kind Anzeichen von Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit auch in der Untersuchungssituation zeigt. Das ist häufig der Fall, muss aber nicht notwendigerweise so sein. Vor allem bei älteren Kindern und bei Jugendlichen kann es durchaus vorkommen, dass solche Verhaltensweisen in der Untersuchungssituation nicht erkennbar sind.
Bei Kindern werden häufig auch Spielsituationen eingeführt, die dem Untersucher helfen, einen guten Kontakt herzustellen, die aber auch für eine Verhaltensbeobachtung genutzt werden. In einzelnen Fällen können auch Verhaltensbeobachtungen in der natürlichen Umgebung des Kindes - z.B. anhand von Videoaufnahmen aus der Familie oder im Rahmen einer Schulbeobachtung - eingesetzt werden.
Testpsychologische Untersuchungen werden häufig im Rahmen einer umfassenden Untersuchung von ADHS eingesetzt. Sie dienen entweder der Überprüfung des Entwicklungsstandes oder der Intelligenz oder auch einzelner Fertigkeiten (z.B. des Lesens, Schreibens oder Rechnens) oder auch der Konzentrationsfähigkeit und Impulsivität des Kindes oder Jugendlichen.
Eine Überprüfung des Entwicklungsstandes und der Intelligenz ist oft notwendig, weil Kinder und Jugendliche, die schulisch überfordert sind, häufig mit ADHS-Symptomen reagieren. In seltenen Fällen können ADHS-Symptome auch auf schulische Unterforderung bei besonders begabten Kindern oder Jugendlichen hinweisen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können genutzt werden, um die optimale Beschulung und Förderung des Kindes zu bestimmen.
Kinder mit ADHS haben häufig auch Probleme in einzelnen schulischen Fächern, deshalb ist neben der Intelligenzdiagnostik häufig auch eine Überprüfung einzelner schulischer Fertigkeiten notwendig.
Tests zur Überprüfung der Konzentrationsfähigkeit und Impulsivität von Kindern und Jugendlichen können ergänzend durchgeführt werden, um weitere Hinweise auf entsprechende Symptome zu bekommen. Mitunter zeigen solche Tests jedoch keine Auffälligkeiten, obwohl die Symptome in der Schule oder bei den Hausaufgaben häufig vorkommen. Deshalb müssen diese Testergebnisse auch sehr vorsichtig interpretiert werden.
Zu jeder diagnostischen Abklärung von ADHS gehört auch eine körperliche Untersuchung, bei der auch die Seh- und Hörfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen überprüft und auch eine kurze neurologische Untersuchung durchgeführt wird.
Diese Untersuchung dient vor allem dazu, andere körperliche Ursachen für ADHS-Symptome auszuschließen. Nach einer solchen Untersuchung und der dazugehörigen Befragung hinsichtlich früherer körperlicher Erkrankungen kann der Arzt noch weitere Untersuchungen veranlassen, z.B. eine Ableitung eines Hirnstrombildes (EEG).
An einer Untersuchung eines Kindes oder Jugendlichen, bei dem die Diagnose einer ADHS überprüft werden soll, können mehrere Berufsgruppen beteiligt sein.
Es gibt verschiedene Anlaufstellen für Eltern, um eine solche Untersuchung für ihr Kind durchführen zu lassen.
Folgende Berufsgruppen können bei der Überprüfung einer ADHS bei Kindern und Jugendlichen einbezogen werden:
Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind ADHS haben könnte, können Sie sich zunächst bei diesen Stellen Hilfe suchen:
Zudem gibt es bundesweit regionale ADHS-Netze. Das ADHS-Netz in Ihrer Region kann Ihnen bei der Suche nach Fachleuten im Bereich ADHS behilflich sein. Eine Übersicht über diese Netzwerke finden Sie auf der Landkarte der regionalen Netze auf der Website des zentralen adhs-netzes.
Zusätzlich bieten Selbsthilfeverbände ein breites Informations- und Unterstützungsangebot für Betroffene. Kontaktadressen finden Sie hier.